Nachlassermittlung (Der unbekannte Nachlass)
Es kommt nicht selten vor, dass Erblasser und (Mit-)Erbe sich lebzeitig keinen oder kaum Kontakt hatten. Der Erbe oder - im Falle einer Erbengemeinschaft - Miterbe steht dann nicht selten vor der Problematik, dass ihm der Nachlass im Einzelnen nicht bekannt ist.
Einen Ausweg bietet hier u.U. die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen. Innerhalb der Erbengemeinschaft sind diese jedoch nur selten in einigen gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen gegeben (z.B. beim Hausgenossen des Erblasser oder dem "Erbschaftsbesitzer", der sich ein nicht bestehendes Erbrecht anmaßt). Auch kann in besonderen Situationen (z.B. bei lebzeiger Erteilung einer Vollmacht verbunden mit einem Auftragsverhältnis) ggf. eine Rechenschaftspflicht des Bevollmächtigten gegenüber dem oder den Erben bestehen.
Insbesondere beim Alleinerben gibt es jedoch gelegentlich niemanden, der auskunftsverpflichtet ist.
In diesen Fällen ist der Erbe darauf angewiesen, den Nachlassbestand selbst in Erfahrung zu bringen. Sobald er sich als Erbe legitimieren kann - wofür oftmals ein privatschriftliches oder notarielles Testament in Verbindung mit dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts ausreichend ist - sollten entsprechende Aufklärungsmaßnahmen zeitnah erfolgen. Innerhalb einer Erbengemeinschaft hat hierüber bestenfalls zuvor eine klare Abstimmung zu erfolgen, um späteren Streit über die Maßnahmen zu vermeiden.
Einige Denkanstöße für mögliche Maßnahmen der Nachlassaufklärung möchten wir Ihnen an dieser Stelle geben:
- Falls der Erblasser über eine Betreuung verfügte, sollten Auskunft, Rechnungslegung und Herausgabe der Wohnungsschlüssel von dem Betreuer angefordert werden. Ähnliches gilt im Falle eines Auftragsverhältnisses.
- Regelmäßig führt kein Weg an einer Sichtung von Unterlagen in der Wohnung des Erblassers vorbei. Bank- und Versicherungsunterlagen, Mietvertrag, Fahrzeugpapiere etc. sollten gesichtet werden, um einen Überblick über potentiell zu informierende Stellen zu gewinnen. Nicht selten zeigen sich hierbei auch weitere Nachlassaktiva (z.B. Lebensversicherungen, Sterbegeldversicherungen, etc.). Etwaige Banken und Versicherungen sollten angeschrieben werden.
- Die Banken, bei denen Konten / Depots des Erblassers geführt werden, sollten um eine Abschrift der Erbschaftsanzeige nach § 33 ErbStG ersucht werden. Diese weist die Konten und Kontostände zum Todeszeitpunkt einschließlich etwaiger Schließfächer aus. In einigen Fällen muss diese (z.B. bei Kontoständen unterhalb von € 5.000,00) nicht erstellt werden. Die Bank sollte dann um eine Saldenmitteilung der Kontostände zum Todeszeitpunkt ersucht werden.
- Falls kontoführende Kreditinstitute nicht bekannt sind, kann der Bankenverbund insoweit (zumindest hinsichtlich der ihm angeschlossenen Banken) ebenfalls Auskunft geben.
- Ein Postnachsendeantrag für die (ggf. zu kündigende) Wohnung des Erblassers sollte bestenfalls gestellt werden, um zu verhindern, dass Post an den Erben vorbeigeht.
- Ggf. muss der Vermieter des Erblassers informiert werden. Insoweit ist zu beachten, dass im Falle des Versterbens des Mieters beiderseits ein einmonatiges Kündigungsrecht besteht. Hat der Erbe - wie in diesen Fällen üblich - kein Interesse an der Übernahme der Wohnung des Erblassers, ist die fristgerechte Sonderkündigung unbedingt zu empfehlen.
- Ggf. sind Versorgungseinrichtungen (Gas- / Stromversorger, Internetanbieter, etc.) zu kündigen. Ebenso etwaige Vereinsmitgliedschaften o.Ä.
- Eine Benachrichtigung des Rententrägers des Erblassers empfiehlt sich oftmals.
- Zu etwaigen Immobilien im Nachlass ist die Einholung von Grundbuchauszügen ratsam.
- Falls der Erblasser zuvor in Pflegestation, Krankenhaus oder Heim aufenthaltig war, sollte dort nach etwaigen Wertgegenständen / persönlichen Gegenständen und Unterlagen gefragt werden.
- Ein etwaiger Arbeitgeber des Erblassers ist bestenfalls zu informieren (Offene Gehaltsansprüche? Sterbegeldleistungen aus Tarifverträgen o.Ä.?)
- Bei Bezug von Sozialleistungen ist auch der Sozialhilfeträger zu informieren.
Um den Nachlass zunächst einmal prüfen zu können, sollte sich ein Erbe / Miterbe auch darüber bewusst sein, dass dieser etwaigen Nachlassgläubigern gegenüber grundsätzlich berechtigt ist für einen Zeitraum von drei Monaten nach Annahme der Erbschaft die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern (sog. "Dreimonatseinrede", vgl. § 2014 BGB).
Die Annahme der Erbschaft ist dabei spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist (grundsätzlich: 6 Wochen, vgl. § 1944 BGB) gegeben. Treten Sie schon vorher nach Außen als Erbe auf (z.B. durch einen Erbscheinantrag), gilt dieser Zeitpunkt als Annahme der Erbschaft.
Bitte beachten Sie jedoch, dass die Forderungen der Nachlassgläubiger ggf. trotz Erhebung der Einrede auch für diesen Zeitraum u.U. zu verzinsen sind.