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Pflichtteilsrecht

1. Was ist der Pflichtteil und wie hoch fällt er aus?

"(1) Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils."
(§ 2303 Abs. 1 BGB - Bürgerliches Gesetzbuch)

Als Pflichtteil bezeichnet das deutsche Erbrecht die Mindestbeteiligung, die bestimmten Personengruppen (Abkömmlingen, Ehegatten und ggf. Eltern) am Nachlass des Erblassers für den Fall zukommen soll, dass diese enterbt worden sind oder unzureichend berücksichtigt worden sind im Testament. Geschwister sind untereinander nicht pflichtteilsberechtigt.

Anders als bei einer Erbschaft, die den Erben ohne deren Annahmeerklärung zufällt, sofern diese nicht ausschlagen, muss der Pflichtteilsanspruch von dem Pflichtteilsberechtigten aktiv geltend gemacht werden. Der Pflichtteilsanspruch erstreckt sich - anders als bei der Erbschaft - auch nicht unmittelbar auf eine Beteiligung am Nachlass und den darin enthaltenen Gegenständen, sondern es handelt sich lediglich um einen Anspruch auf eine Geldleistung, dessen Höhe sich nach der einschlägigen Pflichtteilsquote und dem Nachlasswert berechnet.

Der Pflichtteilsanspruch entsteht i.d.R. mit dem Erbfall, also dem Versterben des Erblassers und unterliegt einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Macht der Pflichtteilsberechtigte also seinen Anspruch nicht früh genug geltend, droht dem Berechtigten ein Verlust seiner Ansprüche. Die Unterstützung bei der Geltendmachung und Berechnung von Pflichtteilsansprüchen ist dabei klassisches anwaltliches Tätigkeitsfeld.

Die Höhe des Pflichtteils beträgt nach § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die Pflichtteilsquote, zu der der Pflichtteilsgläubiger am Nachlasswert zu beteiligen ist, richtet sich also nach der gesetzlichen Erbfolge und der Frage zu welcher Erbquote der Pflichtteilsberechtigte ohne ein Testament gesetzlicher Erbe geworden wäre.

Beispiel: 

Ein verwitweter Erblasser hat zwei Kinder und lediglich eines der Kinder im Testament als Alleinerben eingesetzt. Da das zweite Kind enterbt worden ist, kommen diesem Pflichtteilsansprüche zu, die es geltend machen kann. Nach gesetzlicher Erbfolge würden die Kinder als gesetzliche Erben erster Ordnung (§ 1924 BGB) grundsätzlich zu gleichen Teilen - also in diesem Fall zu je 50 % - erben. Da der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt, wäre also ein Pflichtteilsanspruch in diesem Beispiel also i.H.v. 25 % des Nachlasswertes gegeben und könnte von Kind 2 zur Zahlung verlangt werden.

Wie hoch der konkrete Geldzahlungsanspruch ist, hängt dabei davon ab, welchen Wert der Nachlass zum Todeszeitpunkt hatte. Diese Frage ist nicht selten zwischen den Beteiligten streitig, da oftmals keine oder keine aktuellen Werte zu Grundstücken, Gesellschaftsanteilen oder Inventar vorliegen. Hier sind, wenn kein Einvernehmen der Parteien hergestellt werden kann, regelmäßig Wertbegutachtungen erforderlich.

Neben dem eigentlichen Pflichtteilsanspruch, der sich auf den zum Zeitpunkt des Erbfalles noch vorhandenen Nachlasswert bezieht, können im Einzelfall auch sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen. Diese gewähren dem Berechtigten eine Ergänzung des Pflichtteils im Falle von lebzeitigen Schenkungen des Erblassers. Das Gesetz möchte insoweit mit der Pflichtteilsergänzung verhindern, dass durch lebzeitige Schenkungen kurz vor dem Erfall, die das Vermögen des Erblassers vermindern, Pflichtteilsansprüche ausgehöhlt werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass grundsätzlich nur Schenkungen binnen einer Frist von 10 Jahren vor dem Erbfall relevant sind. Die Pflichtteilsergänzungsansprüche unterliegen hierbei zudem i.d.R. einer Abschmelzung (sog. "pro-rata-Regelung"), wonach diese innerhalb der 10-Jahres-Frist jedes Jahr um ein Zehntel geringer werden. Insoweit gibt es jedoch Ausnahmefälle, in denen die vorgenannte Frist nicht zu laufen beginnt, die das Gesetz (z.B bei Schenkungen unter Ehegatten, § 2325 Abs. 3 BGB) oder die Rechtsprechung (z.B. bei Grundstücksschenkungen mit Nießbrauchsvorbehalt) etabliert haben.

In einigen Konstellationen können sogar Erben und Vermächtnisnehmer pflichtteilsberechtigt sein. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Erbe lediglich einen beschwerten oder beschränkten Erbteil erhalten hat, der Erbteil also durch eine Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnung, Vermächtnis oder Auflage eingeschränkt ist. Auch wäre ein Pflichtteil denkbar, wenn ein Vermächtnis ausgeschlagen wird oder ein angenommenes Vermächtnis nicht die Höhe des dem Vermächtnisnehmer zustehenden Pflichtteils erreicht. Daneben sind noch weitere Sonderfälle, z.B. bei Ehegatten, gegeben. Es lohnt sich also stets, die eigenen Möglichkeiten anwaltlich prüfen zu lassen. Es sind Fälle denkbar, in denen z.B. die Ausschlagung einer angefallenen Erbschaft und die Geltendmachung attraktiver erscheinen als der Verbleib in der Erbengemeinschaft.

Auch bei der Geltendmachung eines Pflichtteils ist zu beachten, dass der geltend gemachte Pflichtteil dem Finanzamt anzuzeigen ist. Insoweit gelten gesetzliche Anzeigepflichten.


2. Wie macht man seine Pflichtteilsansprüche geltend?

Der erste Schritt zum Pflichtteil ist regelmäßig die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen, da ohne nähere Kenntnis des Nachlasswertes, wie oben schon angerissen, die konkrete Berechnung des Pflichtteils nicht möglich ist. Der Erbe wird dabei v.a. zur Erstellung eines privatschriftlichen oder notariellen Nachlassverzeichnisses, das die Aktiva und Passiva des Nachlasses darstellt, aufgefordert. In der Regel bietet es sich an, hier zunächst ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis anzufordern. Bei der Geltendmachung der Auskunft stellen sich jedoch regelmäßig zahlreiche Fragen (Verjährungsfrist, Zinsansprüche, Umfang der geltend gemachten Auskünfte, Durchführung der Wertermittlung,  Richtigkeit der Angaben, etc.), sodass wir regelmäßig anregen, zu dieser Thematik frühzeitig eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Gerne unterstützen auch wir auch Sie bei der Geltendmachung oder Abwehr eines von Pflichtteilsansprüchen!

Der Pflichtteilsberechtigte hat insoweit gegen den oder die Erben recht weitgehende Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche, die eine Ermittlung des Nachlasswertes ermöglichen sollen. Steht der Nachlasswert fest, ist die Berechnung des Pflichtteils anhand der Pflichtteilsquote möglich. Hierfür ist jedoch eine umfassende Auseinandersetzung mit den Familienverhältnissen, bzw. der einschlägigen gesetzlichen Erbfolge erforderlich. Auch insoweit sollte mit Blick auf die Fallstricke bei der Erbquotenbestimmung auf anwaltlichen Beistand gesetzt werden.

Weigern sich die Erben an der Wertermittlung oder der Auskunftserteilung mitzuwirken, kann diese Mitwirkung sogar im Rahmen gerichtlicher Verfahren mittels Auskunfts-,  Stufen- oder Wertermittlungsklage) durchgesetzt werden.


3. Kann ich als Erbe Pflichtteilsansprüche vermeiden oder reduzieren?

Eine vollständige Vermeidung von Pflichtteilsansprüche ist grundsätzlich schwer zu erreichen. Denkbar sind jedoch einige Fälle, in denen dies möglich ist.

a. Erbunwürdigkeit

Zu nennen ist insoweit etwa die Erbunwürdigkeit. Ist ein Fall der Erbunwürdigkeit gegeben, so scheidet der Erbe sowohl für die testamentarische als auch für die gesetzliche Erbfolge oder Pflichtteilsansprüche / Vermächtnisse aus, wenn die Erbunwürdigkeit im Wege der Anfechtung (Anfechtungsklage, § 2342 BGB) geltend gemacht wird. Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass Fälle der Erbunwürdigkeit äußerst selten sind. Der gesetzlich vorgesehene Katalog der Erbunwürdigkeitsgründe  in § 2339 BGB macht schon deutlich, dass es sich um Ausnahmen handelt. Hier sind nur Fälle schwerster Verfehlungen erfasst (z.B. vorsätzliches Töten des Erblassers, Erzwingen eines Testamentes, Fälschen eines Testamentes, etc.). Die gesetzliche Aufzählung ist dabei grundsätzlich abschließend.

b. Pflichtteilsentziehung

Im Einzelfall kann auch eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 BGB möglich sein. Auch hierbei gibt es bestimmte Katalogtatbestände im Gesetz (§ 2333 BGB), bei denen eine Pflichtteilsentziehung möglich ist. Die Entziehungstatbestände sind hierbei zwar niedrigschwelliger als bei der Pflichtteilsunwürdigkeit, müssen jedoch ebenfalls ein erhebliches Gewicht besitzen (z.B. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, böswillige Verletzung von Unterhaltspflichten, etc.). Die Entziehung selbst erfolgt sodann im Testament durch den Erben. Auch für eine Pflichtteilsentziehung kann nur dringend eine anwaltliche oder notarielle Beratung empfohlen werden, da nicht nur die Formvorschriften des Testamentes zu beachten sind, sondern auch zu prüfen ist, ob ein zur Pflichtteilsentziehung berechtigender Sachverhalt vorliegt. Hierbei ist auch darauf zu achten, dass die Darstellungen im Testament hinreichend konkret stattfinden. Eine Pflichtteilsentziehung kann andernfalls schon daran scheitern, dass der Erblasser den Sachverhalt, der ihn zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt, nicht ausreichend genau niedergeschrieben hat.

c. Pflichtteilsverzicht

Denkbar ist ein Ausschluss des Pflichtteils auch durch einen freiwilligen Verzicht des Berechtigten (§ 2348 BGB). Durch einen solchen Verzicht, der auch mit einer Gegenleistung als Ausgleich verbunden werden kann, lassen sich schon zu Lebzeiten spätere Pflichtteilsstreitigkeiten vermeiden. Für einen Pflichtteilsverzicht ist jedoch notarielle Unterstützung erforderlich, da das Gesetz insoweit die notarielle Beurkundung des Verzichts nach § 2348 BGB vorschreibt. Die Vereinbarung wäre andernfalls formunwirksam.

d. Lebzeitige Übertragungen / "asset protection" / Güterstände

Wie schon oben dargestellt, sind auch lebzeitige Schenkungen grundsätzlich im Rahmen des Pflichtteils als Pflichtteilsergänzungsansprüche zu berücksichtigen. Da dies jedoch nach § 2325 BGB i.d.R. nur für einen Zeitraum von 10 Jahren der Fall ist, kann sich eine frühzeitige Übertragung von Vermögen (Geldvermögen, Gesellschaftsanteile oder Grundstücke) insoweit zur Reduzierung von Pflichtteilen auszahlen. Auch insoweit ist eine notarielle Beratung, v.a. bei der Übertragung von Grundstücken jedoch in jedem Falle sinnvoll, da nicht in allen Fällen die 10-Jahres-Frist zu laufen beginnt (s.o.). Auch andere Gestaltungsmittel, wie z.B. die Schaffung von Familienpool-Gesellschaften können Pflichtteilsansprüche reduzieren. Insoweit verweisen wir auch auf unsere Darstellungen zum Thema Vermögenserhalt ("asset protection").

Im Falle von lebzeitigen Schenkungen - jedenfalls, wenn diese ein größeres Volumen besitzen - sollte vorsorglich auch regelmäßig darauf geachtet werden, dass eine Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgt. 

Daneben kann im Einzelfall auch über ehevertragliche Vereinbarungen zum Güterstand ggf. eine Änderung der Pflichtteilsquote erreicht werden.

Gerne beraten wir Sie auch persönlich zum Thema Pflichtteilsrecht!






 
 
 
 
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