Testamentsanfechtung / Unwirksamkeit von Testamenten
Es liegt regelmäßig in der Natur der Sache, dass Verfügungen in Testamenten, die den einen Beteiligten begünstigen, für den anderen Beteiligten u.U. negativ sind. Ein einfaches Beispiel ist die Abfassung eines neuen Testamentes, bei der die bisherigen gesetzlichen oder testamentarischen Erben den Nachlass plötzlich mit einem größeren Personenkreis teilen müssen oder sogar enterbt werden. Die Anfechtung kann dabei ein Mittel sein, ein für den Betroffenen ungünstiges Testament „aus der Welt zu schaffen“.
Zunächst sollte unterschieden werden zwischen den Fällen eines unwirksamen Testamentes und eines anfechtbaren Testamentes. Entscheidender Unterschied ist, dass einem unwirksamen Testament grundsätzlich auch ohne Anfechtungserklärung keine Bedeutung zukommt. Ein anfechtbares Testament hingegen erfordert regelmäßig ein Tätigwerden des Anfechtungsberechtigten in Form einer Anfechtungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht, damit das Testament – bei erfolgreicher Anfechtung – seine Geltung verliert. Wichtig ist hierbei, dass bei einem anfechtbaren Testament regelmäßig die Anfechtungsfrist von einem Jahr ab Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund eingehalten werden muss.
1. Wann ist ein Testament auch ohne Anfechtung unwirksam?
Es sind einige Fälle denkbar, in denen Testamente und auch sonstige letztwillige Verfügungen des Erblassers unwirksam sind und – auch ohne fristgemäße Anfechtungserklärung – keinerlei Wirkung entfalten.
Auszugsweise sind die folgenden Konstellationen zu nennen:
a) Formunwirksame Testamente
Ein Erblasser hat die Möglichkeit ein Testament als öffentliches Testament vor einem Notar zu errichten. Hierbei ergeben sich Wirksamkeitsprobleme hinsichtlich der Form aufgrund der professionellen Begleitung durch den Notar selten. Solange der Notar die zwingenden Vorschriften des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) einhält (z.B. die Notwendigkeit der Verlesung der Urkunde und der Unterschrift durch die Beteiligten und den Notar, § 13 BeurkG), bestehen keine Bedenken an der Formwirksamkeit.
Größeres Fehlerpotential ergibt sich hingegen, wenn ein Erblasser seine letztwillige Verfügung selbst abfassen will. Bei einigen Arten letztwilliger Verfügungen (z.B. beim Erbvertrag) ist dies nicht möglich, sodass jede selbst abgefasste Erklärung formunwirksam ist.
Für Testamente ist die gesetzliche Formvorschrift des § 2247 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu beachten, wonach der Erblasser ein Testament grundsätzlich durch eigenhändige und unterschriebene Erklärung auch selbst errichten kann. Neben diesen zwingenden Erfordernissen sollen zudem Ort und Datum mit angegeben werden und die Unterschrift mit Vornamen und Familiennamen geleistet werden.
Wer die Formvorschriften des Gesetzes insoweit nicht beachtet, weil z.B. die Erklärung nicht unterschrieben ist oder nicht (vollständig) eigenhändig verfasst wurde, führt damit eine Unwirksamkeit des Testamentes herbei. Das Nachlassgericht würde zwar auch ein solches Testament eröffnen, rechtlich wirksam wäre es allerdings nicht. Auch ein Erbschein könnte auf dieser Grundlage für den (vermeintlichen) testamentarischen Erben nicht ergehen. Es würden dann ggf. frühere (formwirksame) letztwillige Verfügungen oder hilfsweise die gesetzliche Erbfolge gelten.
b) Fehlende Testierfähigkeit
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ein Erblasser testierfähig ist zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung. Diese wird gesetzlich vermutet.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings bei Personen anzunehmen, die noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet haben (vgl. § 2229 Abs. 1 BGB). Wer das 16. Lebensjahr, nicht aber 18. Lebensjahr vollendet hat, kann nur ein öffentliches Testament vor einem Notar errichten.
Auch im Falle einer „Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung“ (vgl. § 2229 Abs. 4 BGB) ist eine Unwirksamkeit des Testamentes wegen fehlender Testierfähigkeit denkbar. Insbesondere bei schwereren Erkrankungsformen (z.B. fortgeschrittener Demenz) kann dies in Betracht kommen. Letztlich ist eine Klärung der Testierfähigkeit bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine fehlende Testierfähigkeit aber nur mit einem medizinischen Sachverständigen mit psychiatrischer oder neurologischer Ausrichtung möglich. Wegen der gesetzlichen Vermutung der Testierfähigkeit ist ein Testament hierbei im Zweifel wirksam, wenn sich die fehlende Testierfähigkeit nicht beweisen lässt.
c) Verstoß gegen gesetzliche Verbote / Sittenwidrigkeit
Letztwillige Verfügungen können auch deshalb unwirksam sein, weil sie sittenwidrig sind (§ 138 BGB) oder gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) verstoßen.
Praktisch relevant ist insoweit z.B. § 14 HeimG (Heimgesetz) oder § 30 BtOG (Betreuungsorganisationsgesetz) bzw. die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften. Ein Erblasser kann danach dem Träger des zuletzt bewohnten Heims, dem Leiter oder dem sonstigen Personal durch Testament keine Zuwendungen machen. Gleiches gilt grundsätzlich für den Berufsbetreuer.
Ambulante Pflegedienste sind von dieser Vorschrift grundsätzlich nicht erfasst, sodass bei solchen allenfalls eine Sittenwidrigkeit anzudenken ist, wenn die Stellung und das persönliche Vertrauensverhältnis zu dem Erblasser dazu eingesetzt wurden, den Erblasser übermäßig zu beeinflussen.
d) Bindungswirkung früherer letztwilliger Verfügungen
Denkbar ist eine Unwirksamkeit eines Testamentes auch wegen einer bindend gewordenen früheren letztwilligen Verfügung.
Frühere Testamente sind zwar nicht grundsätzlich bindend, es gibt jedoch einige Fälle, in denen – bei selbst erstellten Testamenten oft sogar ohne Kenntnis der Beteiligten – eine Bindungswirkung bezüglich einzelner Verfügungen eintritt. Die erbrechtliche Praxis zeigt leider, dass (vermeintliche) Erben nicht selten von der Unwirksamkeit späterer Testamente wegen einer Bindungswirkung früherer Verfügungen überrascht werden. Hier hilft nur eine fachkundige Beratung bei der Abfassung des Testamentes.
Denkbar ist dies z.B. bei wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Ehegatten-Testament (§§ 2265, 2270, 2271 BGB). Oft kann der Inhalt eines solchen Testamentes, wenn sich nicht die Ehegatten ausdrücklich eine Änderungsbefugnis vorbehalten, spätestens nach dem Versterben des ersten Ehegatten nicht mehr geändert werden. Denkbar ist dies auch bei vertragsmäßigen Verfügungen (§ 2287 BGB) in einem Erbvertrag, die bereits mit dem Abschluss des Erbvertrages bindend werden können.
e) Scheidung
Ein Testament wird zudem im Zweifel unwirksam, wenn die Ehe vor dem Erbfall geschieden wurde (§ 2077 Abs. 1 BGB). Schon der Scheidungsantrag oder die Zustimmung zu diesem kann ausreichen, um diese Folge herbeizuführen. Bestand die Ehe allerdings zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung / der Erbvertragserrichtung noch nicht oder ergibt sich aus der Auslegung der letztwilligen Verfügung, dass auch eine Scheidung nichts an der Wirksamkeit ändern soll, bleibt es beim Bestand der letztwilligen Verfügung.
2. Welche Fälle anfechtbarer letztwilliger Verfügungen gibt es?
Neben den oben beschriebenen Unwirksamkeitsfällen, kann ein Testament, bzw. eine letztwillige Verfügung, auch anfechtbar sein. Hierbei muss i.d.R. eine Anfechtungserklärung (§ 2081 BGB) gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen. Berechtigt zur Anfechtung ist dabei regelmäßig derjenige, der von der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung rechtlich profitiert, also z.B. der gesetzliche Erbe oder der testamentarische Erbe aus einem früheren Testament des Erblassers (§ 2080 BGB).
Die Anfechtung ist innerhalb einer Frist von einem Jahr (§ 2082 BGB) möglich, die dann zu laufen beginnt, wenn der Anfechtungsberechtigte selbst Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt. Die Anfechtung ist gegenüber dem Nachlassgericht zu erklären und muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen. Infolge der Anfechtung wird dann regelmäßig über die Erbenstellung im Erbscheinverfahren vor dem Nachlassgericht oder in einer Erbenfeststellungsverfahren vor dem zuständigen Landgericht gestritten. Schon wegen der prozessualen Besonderheiten solcher Verfahren sollten diese mit anwaltlicher Begleitung vorbereitet werden.
Denkbare Anfechtungsgründe sind etwa:
a) Irrtum des Erblassers (Erklärungs- / Inhaltsirrtum), § 2078 Abs. 1 BGB
Grundlage einer Anfechtung kann zunächst ein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum des Erblassers sein. Diese liegen dann vor, wenn sich der Erblasser hinsichtlich der Abgabe der Erklärung selbst irrte, also eine solche eigentlich gar nicht abgeben wollte („Erklärungsirrtum“), oder eine Erklärung des tatsächlich abgegebenen Inhalts gar nicht abgeben wollte („Inhaltsirrtum“). Beispiele wären etwa ein Verschreiben bei der Abfassung eines eigenhändigen Testaments oder die falsche Verwendung von Rechtsbegriffen (z.B. Erbeinsetzung der „gesetzlichen Erben“ mit einem falschen Verständnis davon, wer tatsächlich gesetzlicher Erbe ist). Abzustellen ist dabei stets auf die subjektive Sichtweise des Erblassers.
Hervorzuheben ist noch, dass kein erbrechtlich relevanter Irrtum vorliegt, wenn der Erblasser nur über eintretende Rechtsfolgen seiner Verfügung (z.B. die Bindungswirkung beim Ehegattentestament) irrt („Rechtsfolgenirrtum“).
b) Motivirrtum, § 2078 Abs. 2 BGB
Auch ein Motivirrtum, also eine irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes kann Grundlage einer Anfechtung sein. Auch hier kommt es auf die subjektiven Erwartungen des Erblassers an.
Ein Beispiel wäre etwa die Annahme des Erblassers, dass dieser seine Lebensgefährtin, die zur Erbin eingesetzt wird, in Kürze heiraten würde, jedoch stattdessen eine Trennung erfolgt.
Es liegt auf der Hand, dass in den Fällen des Motivirrtums, aber des Inhalts- und Erklärungsirrtums mit Blick darauf, dass die subjektive Betrachtungsweise des Erblassers entscheidend ist, regelmäßig besondere Beweisschwierigkeiten gibt.
c) Täuschung oder Drohung, § 2078 Abs. 2 BGB
Wurde der Erblasser bei der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung von einem Dritten widerrechtlich bedroht oder arglistig getäuscht, so kann dies ebenfalls eine Anfechtung begründen.
d) Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten, § 2079 BGB
Eine weitere gesetzliche Anfechtungsmöglichkeit ergibt sich, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Erstellung seines Testamentes einen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, der ihm nicht bekannt oder noch nicht geboren war (§ 2079 BGB). Etwa Kinder, die der Erblasser nach der Testamentserrichtung noch bekommt oder eine spätere Heirat können diesen Anfechtungsgrund herbeiführen.
Das Gesetz legt insoweit die Vermutung zugrunde, dass der Erblasser bei Kenntnis der neu hinzutretenden Pflichtteilsberechtigten anders testiert hätte. Gegenstand der oftmals streitigen Verfahren um diesen Anfechtungsgrund ist dann regelmäßig die Frage, ob diese gesetzliche Vermutung auch auf den konkreten Erblasser zutrifft oder ob das Testament auch in Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten unverändert errichtet worden wäre.
Die Masse an „Fallstricken“, die zu einem unwirksamen oder anfechtbaren Testament führen können, lassen es regelmäßig sinnvoll erscheinen, sich hinsichtlich der Erstellung des Testamentes oder Fragen der Wirksamkeit im Erbfalle an einen erfahrenen Rechtsanwalt oder Notar zu wenden.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zum Thema Unwirksamkeit / Anfechtung haben!