Vermächtnisse
1. Was ist ein Vermächtnis?
"Der Erblasser kann durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis)"
(§ 1939 Bürgerliches Gesetzbuch)
Was ein Vermächtnis ausmacht, wird am besten deutlich, wenn man es mit der Erbschaft vergleicht. Beide Begriffe werden nicht selten vermischt, sind rechtlich jedoch zu unterscheiden. Während ein Erbe grundsätzlich die Gesamtrechtsnachfolge des Erblassers antritt, also mit dem Erbfall unmittelbar in alle Rechten und Pflichten eintritt, erhält der Vermächtnisnehmer einen konkreten Vermögensvorteil (z.B. eine Geldzahlung, eine Immobilie oder sonstige Vermögenswerte) zugewendet.
Im deutschen Erbrecht besteht dabei die Besonderheit, dass - anders als bei der Erbschaft, die von selbst anfällt - ein Vermächtnis erst erfüllt werden muss. Den Erben obliegt es dann, dieses Vermächtnis nach dem Erbfall zu erfüllen, also dem Bedachten zukommen zu lassen. Der Vermächtnisnehmer hat einen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung eines Vermögensvorteils. Vermacht also ein Erblasser z.B. seinem Bruder eine Immobilie, so wird dieser nicht mit dem Erbfall unmittelbar Eigentümer der Immobilie, hat jedoch einen Anspruch darauf, dass die Erben ihm diese übertragen. Dieser Anspruch kann notfalls auch gerichtlich geltend gemacht werden.
In bestimmten Fällen, z.B. bei Immobilien oder Gesellschaftsanteilen, ist für die Erfüllung eines Vermächtnisses die Mitwirkung eines Notars erforderlich. Dieser gestaltet und beurkundet dann den Vermächtniserfüllungsvertrag.
2. Welche Arten von Vermächtnissen gibt es?
Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht eine ganze Reihe von verschiedenen Vermächtnissen vor. Der praktisch häufigste Fall ist die einfache Zuwendung eines bestimmten Vermögensvorteils, wie z.B. eines Geldbetrages, einer Immobilie oder eines Gegenstandes. Das Gesetz sieht daneben aber auch einige besondere Arten von Vermächtnissen vor:
Vor- und Nachvermächtnis (§ 2191 BGB): Ähnlich der Vor- und Nacherbschaft gibt es auch im Vermächtnisrecht ein Nachvermächtnis. Der Erblasser kann also mehrere Personen zeitlich hintereinander als Vermächtnisnehmer einsetzen. Nach dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder Zeitpunkts fällt das Vermächtnis dem Nachvermächtnisnehmer zu.
Verschaffungsvermächtnis: Der Erblasser kann sogar Vermächtnisse aussprechen über Gegenstände, die gar nicht im Nachlass vorhanden sind. In diesem Falle spricht man von einem Verschaffungsvermächtnis. Der Erbe muss den Gegenstand dann für den Vermächtnisnehmer beschaffen.
Gattungsvermächtnis: Dem Erblasser steht es frei, den Vermächtnisgegenstand auch nur seiner Gattung nach zu beschreiben (z.B. Zuwendung eines „Autos“ an den Enkel). Ein solches Vermächtnis bezeichnet man als Gattungsvermächtnis. Streit entbrennt hierbei häufig über die Güte der dann konkret geschuldete Sache. Wollte der Erblasser im vorstehenden Beispiel ein Fahrzeug der Luxusklasse zuwenden oder einen Kleinwagen? Der Vermächtnisnehmer kann von den Erben nicht zwingend eine Sache "mittlerer Art und Güte" verlangen, sondern nur eine, die gerade seinen persönlichen Verhältnissen entspricht.
Wahlvermächtnis: Ein Vermächtnis kann auch so gestaltet werden, dass dem Vermächtnisnehmer die Wahl unter mehreren Gegenständen gelassen wird, z.B. das Recht des Bedachten sich aus mehreren Autos des Erblassers eines auszusuchen.
Quotenvermächtnis: Auch eine quotale Beteiligung an bestimmten Dingen ist möglich. So kann der Erblasser z.B. dem Vermächtnisnehmer einen bestimmten Prozentsatz seines Bar- und Sparvermögens zukommen lassen. Die Geltendmachung eines solchen Vermächtnisses setzt voraus, dass zunächst Auskunft über die Höhe des Bar- und Sparvermögens erteilt wird. Der Vermächtnisnehmer hat hier ausnahmsweise einen Auskünftsanspruch gegen die Erben, soweit die Auskunft notwendig ist, um den Anspruch zu beziffern.
3. Hat ein Vermächtnis Vorteile gegenüber der Erbeinsetzung?
Aufgrund des Wesens des Vermächtnisses, dass der Vermächtnisnehmer gerade nicht Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers wird, sondern nur einen oder mehrere konkrete Vermögenswerte zugewiesen erhält, ergeben sich Vorteile des Vermächtnisses gegenüber der Erbeinsetzung. Der Vermächtnisnehmer wird (es sei denn er wird zudem als Erbe eingesetzt) nicht Mitglied der Erbengemeinschaft und muss in der Folge auch nicht an der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, die nicht selten auch streitbehaftet ist, mitwirken. Er hat stattdessen ein direktes Forderungsrecht hinsichtlich seines Vermächtnisses gegen die Erbengemeinschaft und kann die Erfüllung des Vermächtnisses verlangen. Auch bleibt dem Vermächtnisnehmer damit z.B. die Nachlassabwicklung in Form einer Abwicklung von Vertragsverhältnissen oder Auseinandersetzung mit Nachlassgläubigern grundsätzlich erspart.
Ein weiterer Vorteil gegenüber der Erbeinsetzung ist, dass ein Vermächtnisnehmer durch den Erblasser nicht zwingend selbst bestimmt werden muss. Gelegentlich besteht in der Testamentsgestaltung der Wunsch danach, einer dritten Person, z.B. dem längerlebenden Ehepartner, an der Entscheidung an der Einsetzung von Erben oder Vermächtnisnehmern zu überlassen. Während dies bei der Einsetzung eines Erben wegen § 2065 BGB ("Drittbestimmungsverbot") nicht möglich ist, der vorsieht, dass der Erblasser "die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen" darf, ist dieser Grundsatz im Vermächtnisrecht aufgeweicht. Dort sieht § 2151 BGB vor, dass der Erblasser auch Vermächtnisse dergestalt hinterlassen kann, "dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von den mehreren das Vermächtnis erhalten soll.". Hier muss der Erblasser zwar immer noch eine Personengruppe angeben, aus der die Erben / ein Dritter wählen können, wer das Vermächtnis erhalten soll. Der Handlungsspielraum, der den Erben / dem Dritten eingeräumt wird, ist jedoch größer.
4. Kann ich ein Vermächtnis sofort nach dem Erbfall verlangen, wenn ich Vermächtnisnehmer bin?
Wie oben bereits dargestellt, fällt dem Vermächtnisnehmer der vermachte Gegenstand nicht automatisch zu. Dieser muss von den Erben eingefordert werden. Es stellt sich also zwangsläufig die Frage, ab wann ein Vermächtnis einforderbar ist.
Grundsätzlich lässt sich hierbei festhalten, dass der Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses ab dem Zeitpunkt des Erbfalls, also des Versterbens des Erblassers, entsteht. Anders kann dies allerdings sein, wenn im Testament ein abweichender Zeitpunkt geregelt ist. Hier ist eine Kenntnis des Testamentes also zwingend erforderlich. Das Testament erhält der Vermächtnisnehmer seitens des Nachlassgerichts mitgeteilt, wenn dieses eröffnet wird.
Es ist allerdings zu beachten, dass die Erben das Vermächtnis nicht zwingend sofort erfüllen müssen. Da das Vermächtnis eine Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) ist, hat der Erbe nach § 2014 BGB ("Dreimonatseinrede") das Recht, die Erfüllung bis zum Ablauf von drei Monaten nach der Annahme der Erbschaft zu verweigern. Das muss den Vermächtnisnehmer natürlich nicht daran hindern, die Erfüllung des Vermächtnisses schon vor Ablauf dieser Frist einzufordern.
Unbedingt muss beachtet werden, dass ein Vermächtnisanspruch, da es sich um einen Anspruch handelt, verjähren kann. Hierbei gilt die gewöhnliche Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 195, 199 BGB). Sie beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger hiervon Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Bei einem Vermächtnis, das in dem Anspruch auf eine Immobilie besteht, gilt sogar eine Verjährungsfrist von 10 Jahren. Der Erblasser kann in der letztwilligen Verfügung allerdings auch kürzere Fristen setzen, binnen derer das Vermächtnis einzufordern ist.
5. Kann ich ein Vermächtnis auch ausschlagen?
Ein Vermächtnis kann - wenn der Vermächtnisnehmer auch Erbe ist sogar unabhängig von der Erbschaft - auch ausgeschlagen werden. Die Ausschlagung erfolgt dabei gegenüber dem Beschwerten, also den Erben (§ 2180 BGB). Eine Frist ist vom Gesetz hierbei nicht vorgesehen. Dies ist ein großer Unterschied zur Ausschlagung einer Erbschaft, die durch notariell beglaubigte Erklärung und kurzer Frist (i.d.R. 6 Wochen) gegenüber dem Nachlassgericht erfolgt.
Der mit dem Vermächtnis beschwerte Erbe kann jedoch dem Vermächtnisnehmer in bestimmten Fällen, insbesondere wenn der Vermächtnisnehmer zugleich Pflichtteilsberechtigter ist (§ 2307 BGB) mit angemessener Fristsetzung dazu auffordern, sich zu entscheiden, ob er das Vermächtnis annimmt oder nicht. Wird das Vermächtnis dann nicht innerhalb der Frist angenommen, gilt es als ausgeschlagen.
Die Frage, ob die Ausschlagung eines Vermächtnisses sinnvoll ist oder nicht, hängt vom Einzelfall ab. Zu prüfen ist die Sinnhaftigkeit der Annahme eines Vermächtnisses v.a. im Falle pflichtteilsberechtigter Vermächtnisnehmer. Die Zuwendung eines Vermächtnisses lässt das Pflichtteilsrecht zwar nicht entfallen, den Pflichtteil erhält der Vermächtnisnehmer jedoch insoweit nicht, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht (§ 2307 Abs. 1 BGB). Den Wert des Vermächtnisses muss sich der Vermächtnisnehmer also anrechnen lassen. Insbesondere bei Zuwendung von Gegenständen, an denen der Vermächtnisnehmer kein Interesse hat, wäre es u.U. nachteilig, wenn durch die Wertanrechnung der Pflichtteilsanspruch geschmälert wird.
6. Muss ich auch als Vermächtnisnehmer Erbschaftssteuer zahlen?
Das ist möglich und hängt von der Höhe des Vermächtnisses und den einschlägigen Freibeträgen ab. Da ein Vermächtnis für den Vermächtnisnehmer ein Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist, unterliegt es der Erbschaftssteuer. Die Regelungen zu Freibeträgen, Stuerklassen und -sätzen entsprechen dabei denjenigen der Erbschaft.
Zu beachten ist, dass hierbei die Steuerpflicht schon mit dem Anfall des Vermächtnisses, nicht erst mit der Geltendmachung anfällt. Dies ist z.B. bei Pflichtteilsansprüchen anders. Die steuerliche Bewertung des Vermächtnisses erfolgt dabei grundsätzlich zum Zeitpunkt des Erbfalls, spätere Wertsteigerungen oder Wertminderungen zwischen Erbfall und Vermächtniserfüllung bleiben dabei i.d.R. außer Betracht.